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Saarbrücker Zeitung, 6.10.2014

Auf zur "unfähigen Kuh"

Unterhaltsam und bissig: Das Dudweiler Statt-Theater spielt "Frau Müller muss weg"

 

Ein Lehrstück über die Schule, über Eltern und ihre oft überzogenen Erwartungen und über die Dynamik in einer Gruppe ist Lutz Hübners Erfolgskomödie „Frau Müller muss weg“. Das Dudweiler Statt-Theater meistert es mit Bravour.

Von SZ-Mitarbeiterin Kerstin Krämer 

Dudweiler. „Die unfähige Kuh“ ist schuld, da ist sich die Elternschaft der Klasse 4b einig. Nur die Lehrerin kann verantwortlich sein für die miesen Noten, das verängstigte Verhalten und die Disziplinlosigkeit der Grundschüler. Und weil alle ihr Kind auf dem Gymnasium sehen wollen und das Schreckgespenst Gemeinschaftsschule spukt, tritt eine fünfköpfige Elternvertretung an, die Pädagogin abzusägen. Doch als man Frau Müller zum Diktat zitiert, argumentiert sie psychologisch unerwartet geschickt. Bald kommen unangenehme Wahrheiten aufs Pult, sowohl über die ungezogene Brut wie auch über ihre Erzeuger, und alles läuft anders als geplant.

So die Handlung von Lutz Hübners Stück „Frau Müller muss weg!“, mit dem am Samstag das Dudweiler Statt-Theater im Saal Naccarato Premiere feierte. Ein brandaktuelles, packendes Komödiendrama, das einerseits die Bildungsdebatte befeuert, andererseits viel über die kurze Halbwertzeit von Bündnissen, mangelnde Prinzipientreue, Feigheit, Ignoranz und voreilige Schuldzuweisungen erzählt. Und das vor ernstem Hintergrund urkomische Dialoge liefert, wie sie ein Loriot nicht schöner hätte schreiben können.

Das Geschehen könnte überall stattfinden, das Statt-Theater siedelt es – ohne jede billige lokalpatriotische Anbiederung – im Saarland an. Die Ausstattung beschränkt sich im Wesentlichen auf Stühle, Lehrerpult und Tafel und zeigt hässlichen Realismus: Ja, so heruntergekommen sieht es in vielen deutschen Klassenzimmern tatsächlich aus.

 

Hier treffen sich die Elternvertreter, deren Solidargemeinschaft bald zerbröselt wie ein altbackener Krümelkuchen: der arbeitslose Wutbürger (Dieter Meier in der Doppelbelastung Schauspiel und Regie), die gut organisierte Verwaltungstante (Tanja Malcharek), die unbeschwerte Museumspädagogin (Katrin Leinen), die Bioladen-Gutmenschin (Julia Rauch) und ihr berufsgeschädigter Gatte (Christian Marc Klein). Auf der gegnerischen Seite eine Lehrerin (Silke Reitz), deren pädagogisches Konzept partout nicht verhandelbar ist.

Hübner liefert eine brillante Lehrstunde über Konsequenz, Vertrauen und Ehrlichkeit, hinterfragt Autorität, Verantwortung und fehlprojizierte Erwartungshaltungen – das Ensemble des Statt-Theaters agiert glaubwürdig und emotional fein ausbalanciert. Frau Müller muss weg? Nein – Sie müssen da hin!

Saarbrücker Zeitung, 22.9.2014

 

 

„Am besten können wir träumen“

Dieter Meier über das unverwüstliche Dudweiler Statt-Theater
und sein neues Stück.
Das Dudweiler Statt-Theater präsentiert ein neues Stück: „Frau Müller muss weg“ hat am 4. Oktober Premiere. SZ-Redakteurin Susanne Brenner hat Dieter Meier vom Statt-Theater befragt, zum Stück, zur langen Geschichte des Theaters und zu Träumen und Schäumen.

 

Über 25 Jahre gibt es das Dudweiler Statt-Theater. Es überdauerte die Zerwürfnisse mit Gründervater Axel Herzog, die Schließung der eigenen Spielstätte und gescheiterte Träume von einem neuen eigenen Theater. Wie schafft man es, ein Amateurtheater über so viele Klippen zu bringen?

Dieter Meier: Nicht alle Träume müssen in Erfüllung gehen, manchmal reicht es, das Träumen zu genießen. Sophia Loren soll einmal auf eine ähnliche Frage gesagt haben: „Weitermachen, einfach weitermachen!“ Und das haben wir getan. Jedes neue Stück erweckt jedes Mal aufs Neue die Begeisterung, die fürs Theaterspielen und ein erfolgreiches Amateurtheater nötig sind. Und es gibt noch so viele gute Stücke. Wenn dann noch Menschen, ja Freunde beieinander sind, die sich aufeinander einlassen und aufeinander verlassen können, kann der Wind auch mal rauer sein.

Gibt es noch viele Mitglieder, die von Anfang an dabei sind?

Dieter Meier: Ja, es sind tatsächlich noch sechs Mitglieder aus den ersten Produktionen mit dabei. Nicht mehr als Fräuleins und so ganz junge Liebhaber, aber als gestandene Bühnen-Amateure. Und die erwarten jetzt in Gelassenheit ihre Altersrollen. Derweil wachsen auch immer neue Leute nach, die von der Bühnenleidenschaft gepackt werden, bei Frau Müller spielen schon mal zwei vielversprechende Neue mit!

Das neue Stück „Frau Müller muss weg!“ ist ein Dauerbrenner auf deutschen Bühnen, war etwa am Berliner Gripstheater ein großer Erfolg. Wie kommt man als kleines Amateurtheater an ein solches Stück?

Dieter Meier: Der Verlag kannte uns von der „Heißen Ecke“, na, hieß es, dann werden Sie die „Frau Müller“ auch hinkriegen. Ansonsten ist es wie beim Heiratsantrag: Trauen muss man sich, und fragen muss man, die Antwort kann immer auch „Ja“ lauten.

Für eine Produktion wie „Frau Müller muss weg!“ braucht es nicht nur eine ganze Reihe von Darstellern, sondern auch viele helfende Hände hinter den Kulissen. Findet das Statt-Theater über die Jahre immer wieder genügend Nachwuchs? Lassen sich auch junge Leute für dieses zeitraubende Hobby begeistern?

Dieter Meier: Wie gesagt, wir verlassen uns aufeinander, und wenn jemand zum Beispiel im Kinderstück ein kleines Mädchen und im nächsten eine ältere Dame spielen kann, dann bringt die es auch fertig, Original-Kinderstühle für Frau Müller zu besorgen. Und seit die Darsteller zusammen den Aufzug im „Hotel zu den zwei Welten“ aufgebaut haben, schreckt uns auch kein Bühnenbild mehr. Sicherlich wechseln auch die Leute mit den Stücken, aber der Nachwuchs ist über all die Jahre da gewesen, immer wollen Menschen auf die Bühne. Und da wir uns wohl einen guten Namen erarbeitet haben, haben wir meistens mehr Anfragen als Besetzungsmöglichkeiten. Dennoch ist der Terminplan immer die größte Herausforderung des ganzen Stücks.

Die Premiere war zunächst an anderer Stelle geplant, findet nun wegen Terminüberschneidungen im Saal Naccarato statt. Das Theater ist also immer wieder auf Raumsuche. Sind die Träume von der eigenen Spielstätte mittlerweile ganz begraben?

Dieter Meier: Eine Spielstätte wäre zwar Heimat, aber auch eine kraftzehrende Verpflichtung, und die Kraft brauchen wir zuerst fürs Theaterspielen. Aber wir sind nun schon das zweite Mal bei Naccarato und verstehen uns. Ein gutes Speiselokal nennen unsere Vermieter auch ihr eigen, also da gibt es schon Möglichkeiten. Ansonsten wählt das Stück den Spielort, und wir probieren gerne was Neues aus: ein kleines Stück im kleinen Saal, ein größeres wie ein Musical passt auch wieder ins Bürgerhaus, vielleicht geht auch mal was Open Air im Dudweiler Park? Ideen haben wir genug, und am besten können wir träumen.

 

Auf einen Blick
Das Dudweiler Statt-Theater spielt die böse Komödie „Frau Müller muss weg!“ von Lutz Hübner. Es ist bereits die 37. Produktion des Amateur-Ensembles. Im Stück treffen sich die Eltern der Grundschulklasse 4b beim Elternabend mit dem Ziel, die Lehrerin abzustrafen, die die lieben Kinderchen nach Ansicht der ehrgeizigen Eltern nicht genügend würdigt und schuld ist am schlechten Leistungsstand der Kleinen. Im Verlauf des Abends bröckelt allerdings die Eltern-Solidarität und so manche Fassade fällt.

Premiere ist am Samstag, 4. Oktober, 20 Uhr. Weitere Vorstellungen sind am Sonntag, 5. Oktober, am 15., 16., 22. und 23. November, jeweils um 20 Uhr. Spielort ist immer der Saal Naccarato (vormals Nemenich, Liedertafel) in der Saarbrücker Straße 226. Parken kann man auf dem Dudo-Platz. red.

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