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Saarbrücker Zeitung, 27.04.2004

Vergewaltigt zu den Klängen Schuberts

"Der Tod und das Mädchen" - Premiere im Dudweiler Statt-Theater

Wenn der Chilenische Arzt im Auftrag der Militärjunta Frauen vergewaltigt, tut er das zu den Klängen Schuberts. Zumindest in dem Stück "Der Tod und das Mädchen". Welche Folgen das haben kann, zeigt das Statt-Theater Dudweiler der Premiere von Dorfmans Werk.

 

Dudweiler. Dient es der Gerechtigkeit, wenn das Opfer den Spieß umdreht und mit den Mitteln des Täters arbeitet? Heiligt der Zweck jedes Mittel? Und was ist ein Geständnis wert, wenn es erpresst worden ist? Am Samstag hatte im Dudweiler Statt-Theater "Der Tod und das Mädchen" Premiere.
Sein an authentischen Hintergründen ausgerichtetes textintensives Stück hat der chilenische Autor Ariel Dorfman nach Schuberts berühmtem Streichquartett benannt, weil es eine Schlüsselrolle spielt: Diese Musik hat ein Arzt (Berthold Blaesius) stets aufgelegt, wenn er im Auftrag der Militärjunta seine meist weiblichen Gefangenen folterte und vergewaltigte. Unter den Opfern war auch Paulina Salas (Tanja Malcharek), die jetzt, 15 Jahre später, per Zufall unvermutet Gelegenheit hat, Selbstjustiz zu üben. Sehr zum Entsetzen ihres Mannes Gerardo (Adrian Gassen), denn der ist Jurist und Mitglied einer Kommission, die Menschenrechts-Verletzungen unter der Pinochet-Diktatur aufklären soll. Außerdem scheint die Beweislage so dürftig, dass er nicht weiß, ob er seiner Frau überhaupt glauben kann.

Musik des Sadisten

Es entspinnt sich ein emotionsgeladenes Katz- und Mausspiel mit körperlicher Gewalt, drastischen Wortwechseln und aufreibenden Zweier-Konstellationen, bei dem Paulina Anklägerin und Richterin zugleich ist, Gerardo sich in die widersprüchliche Doppel-Rolle des Advokaten und Staatsanwalts zugleich gepresst sieht und der Zuschauer auf der Schöffenbank Platz nimmt.

Unter der sensiblen Regie Volker Meyers finden die drei Darsteller zu differenziertem Spiel. Viel Applaus gab's für den plausibel agierenden Adrian Gassen, wie er sich in ohnmächtiger Hilflosigkeit um Gerechtigkeit bemüht und versucht, seine Emotionen unter Kontrolle zu halten. Keinen leichten Job hat auch Berthold Blaesius, der die Integrität des alles leugnenden Robertos in einem fragwürdigen Licht erscheinen lassen muss - was ihm, von sprachlichen Schwächen abgesehen, auch gelingt.

Nuancierte Verletzlichkeit

Und Tanja Malcharek schließlich macht die psychische Ausnahmesituation Paulinas nuanciert erfahrbar: Sie ist eine verletzte Frau, die hier ganz unhysterisch alle ihr zugefügten Erniedrigungen heimzahlt. Ob ihr vermeintlicher Peiniger tatsächlich schuldig ist, bleibt offen - das ist vielleicht auch besser so. Denn auch die "reine Wahrheit" kann töten. kek

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